Seoul: Wie die Philharmoniker Südkoreas Megacity erlebten
Wolkenkratzer reihen sich aneinander, einer höher als der andere. Bewaldete Berge umranden die graue Wüste aus Beton und Glas. Durchbrochen wird sie von einem mächtigen Fluss, grüne Oasen liegen an seinem Ufer. Willkommen in Seoul – Südkoreas Megacity.
Die Hauptstadt hat knapp zehn Millionen Einwohner (Stand: 2019), wobei in der Metropolregion Sudogwon circa 25 Millionen Menschen leben. Seoul liegt im Nordwesten des Landes. Der Fluss, der von Ost nach West durch die Stadt fließt, heißt Hangang. Über ihn führen 31 Brücken, im Seouler Stadtgebiet misst er an der breitesten Stelle mehr als einen Kilometer.
Das Quartier der Bremer Philharmoniker war für den zweiten Teil der Reise das Golden Seoul Hotel im Westen der Stadt. Vor allem am Montag und Donnerstag hatten die Musiker:innen Zeit, die Stadt zu erkunden.
Die ersten Eindrücke wollte Jochen Ohngemach, Flötist, gemeinsam mit seiner Frau Anke Ohngemach, Viola, und zwei Kolleginnen auf einer Stadtrundfahrt sammeln. Am Abfahrtort warteten und warteten sie, doch der Bus kam nicht. Sie waren sich nicht sicher, ob die Stadtrundfahrt am Montag nicht stattfindet, die Fahrpläne auf Koreanisch waren nicht sehr hilfreich. Also warteten sie weiter. Als nach einer weiteren Viertelstunde noch immer kein Bus in Sicht war, entschlossen sie sich, ihre Pläne zu ändern. Generalmusikdirektor Marko Letonja hatte ihnen am Vorabend beim Umtrunk auf der Dachterrasse des Hotels empfohlen, das Viertel Insa-dong zu besuchen.
Die Gruppe machte sich auf den Weg, von der Bushaltestelle war es nicht weit. Sie kamen am Chonggyecheon vorbei – einem künstlichen Fluss, der in einige Meter unterhalb der Höhe der Fußgängerzone in einer Art Kanal vom Zentrum rund zehn Kilometer Richtung Osten fließt. Am begrünten Ufer können Fußgänger spazieren gehen oder sich erholen. "An diesem Fluss haben wir zwei Reiher gesehen, mitten in der Stadt. Das muss man sich mal vorstellen", sagt Ohngemach.
In Insa-dong angekommen, haben Ohngemach und seine Begleiterinnen die kleinen Gassen erkundet und in den Läden gestöbert. Das Viertel Insa-dong ist bei Touristen sehr beliebt. Hier gibt es viele Geschäfte mit Souvenirs wie koreanischen Teetassen, Socken und allerlei Kleinkram. Dann wurde es Zeit für Mittag. "Wir haben ein Restaurant gefunden, einfaches Ambiente, aber das Essen war hervorragend", sagt Ohngemach. "Und wir haben nur 30 Euro gezahlt – und das zu viert."
Mit vollem Magen ging es weiter Richtung zum buddhistischen Tempel Jogyesa. Dort fand gerade eine Zeremonie statt, sagt Ohngemach. Beeindruckend fand er die Lampions: "Das war ein Farbenmeer, unfassbar."
In der Ecke von Seoul, in der Ohngemach unterwegs war, starteten auch Antonia Krebber und Joke Flecijn, beide Cello, mit ihrer Gruppe. Genauer gesagt am Palast Gyeongbokgung, dem Wahrzeichen Seouls. Der Palast wurde 1395 gebaut, die riesige Anlage hat tausende Räume. Auffällig fanden Krebber und Flecijn die vielen Menschen in eigentümlichen Gewändern. Dabei handelt es sich um das sogenannte Hanbok, eine koreanische Tracht. "Wenn man sich ein Hanbok kauft, kommt man kostenlos in den Tempel", erklärt Flecijn. Sie haben sich aber dagegen entschieden. "Der Eintritt ist deutlich günstiger als das Hanbok", erklärt Krebber.
Die beiden Cellistinnen waren danach auch in Insa-dong zum Mittagessen. Es gab traditionelles koreanisches Essen wie etwa Bibimbap, allerdings war das auch ein wenig exotisch: Das Essen war vegan. Die Südkoreaner lieben Fleisch, Vegetarier und Veganer haben oft ein schweres Leben in Fernost. Im Anschluss deckten sie sich mit Souvenirs ein. Krebber kaufte dann doch noch ein Hanbok, allerdings im Miniaturformat für ihre kleine Tochter. "Das Hanbok sieht so schön aus", sagt Krebber mit Vorfreude in der Stimme.
Weiter ging es nach Bukchon, einem traditionellen Hanok-Dorf. Hanok sind die traditionellen Wohnhäuser Koreas, dessen mit Holzelementen durchbrochene weiße Fassaden an Fachwerkhäuser erinnern; die Dächer mit ihren geschwungenen Linien und den großen Dachziegeln wirken typisch asiatisch. Sie entdeckten ein Lokal auf einer Dachterrasse, das Gebäude mitten im Viertel war ein wenig höher als die umliegenden Hanok-Häuser. Die Aussicht sei toll gewesen. Ein Geheimtipp, vermutet sie, denn sie waren dort alleine. Zwei Stunden schauten sie von dort auf die Hanok-Dächer und die Stadt und tranken koreanischen Tee. Krebber und Flecijn fanden die Stadt beeindruckend, wohnen würden sie dort aber nicht wollen. Zu viele neue Gebäude, sagt Flecijn, zu wenig grün. Tatsächlich gibt es viele Grünanlagen und Parks in Seoul, etwa am Fluss Hangang. "Aber da muss man erst einmal hinkommen", sagt Krebber.
Die Grünanlagen am Fluss erkundete Gert Gondosch. "Im Gegensatz zu meinen Kolleginnen und Kollegen habe ich nicht lange im Internet recherchiert", sagt der Violinist. Nach dem Üben am Dienstagmorgen war er in den Parkanlagen am Flussufer laufen. Am Hangang und an den Seitenufern gibt es viele Gelegenheiten, sich zu erholen und Sport zu treiben. So gab es in der Nähe des Hotels mehrere Fußballplätze oder auch einen Golfkurs, der gut besucht war. Der Golfsport ist in Südkorea recht populär, was sich oft auch im Stadtbild widerspiegelt: Denn zwischen den Hochhäusern stehen an manchen Orten große Würfel aus grünen Netzen. Es sind driving ranges, Abschlagplätze.
Am freien Tag startete auch Gondosch am Gyeongbokgung, ebenso besuchte er die beliebten Touristenviertel. Bei der Suche nach dem Mittagessen fielen ihm Ungewöhnlichkeiten auf. In einem Restaurant habe es beispielsweise hauptsächlich Rinderfüße gegeben – und zwar mit Huf. Auf dem Straßenmarkt sah er dann in der Auslage eines Fleischers wieder Rinderfüße. Gondosch fand an Seoul beeindruckend, wie kontrastreich die Stadt ist: alte Gebäude, neue Gebäude, hoch und niedrig, hochmodern und buddhistischer Tempel.
Nach den Konzerten ging die Erkundungstour der Musiker:innen weiter. Manche fuhren etwas weiter raus, andere genossen den Ausblick vom Seoul Tower oder gar dem Lotte World Tower, der mit 555 Metern eines der höchsten Gebäude der Welt ist. Ein Musiker berichtet von der High Society, die am Lotte World Tower ihren Status demonstrierten.
Nach dem Sonnenuntergang kehrten die Musiker:innen wieder im Golden Seoul Hotel ein, viele trafen sich auf ein oder viele Biere auf der Dachterrasse. Sie schnackten und lachten zusammen und blickten zwischenzeitlich über die scheinbar endlose Stadt, dessen Gebäude in der Dunkelheit funkelten.