27.04.2023

Für die Musik zurück in die Heimat: Interview mit Jihye Seo-Georg

Die Violinistin Jihye Seo-Georg beim Empfang in der Residenz der deutschen Botschaft in Seoul..
© Jean-Pierre Fellmer

Das Foto zeigt die Violinistin Jihye Seo-Georg beim Empfang in der Residenz der deutschen Botschaft in Seoul.

Jihye Seo-Georg ist Violinistin bei den Bremer Philharmonikern. Die 37-Jährige wurde in Südkorea geboren, sie spielt Geige seit sie sechs Jahre alt war. Im Alter von 19 ist sie fürs Studium nach Deutschland gezogen. Studiert hat sie in Freiburg, hat unter anderem spielte sie für das SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden. 2018 hat sie bei den Bremer Philharmonikern einen Zeitvertrag, später eine feste Stelle bekommen.

 

Jihye, wie war das für Dich, als Du erfahren hast, dass Du mit den Bremer Philharmonikern in Dein Heimatland reist?

Das war natürlich eine riesige Freude. Ein sehr emotionaler Moment, ich kann das kaum in Worte fassen. Natürlich war ich auch skeptisch, ob das wirklich stattfindet. Die Tour wurde wegen Corona ja auch verschoben und eine Japan-Tournee wurde auch abgesagt.

 

Wie hast Du die Tournee erlebt?

Es ist schon seltsam: Ich stehe in Seoul an der U-Bahn-Station Yeouido und gleichzeitig stehen da auch meine Kollegen. Ich dachte, dass kann nicht wahr sein, ich muss träumen. Durch die Reise bekomme ich auch viel Aufmerksamkeit aus dem Orchester. Aus Spaß habe ich auch zu meinen Kollegen gesagt: So beliebt war ich noch nie in meinem Leben (Jihye lacht). Jeder hat Fragen an mich, aber das ändert sich natürlich bald. Insgesamt tut uns die Tournee als Orchester sehr gut. Ich spüre, dass wir viel enger geworden sind, weil wir gemeinsam etwas erleben. Obwohl das so anstrengend ist, müssen wir das dringen wiederholen.

 

Wie hat Deine Familie auf die Tourneepläne reagiert?

Bis vor vier Monaten haben sie mich ständig gefragt: Ist das wirklich so, dass ihr nach Südkorea kommt? Irgendwann haben sie im Fernsehen die Werbung für die Konzerte gesehen. Bis dahin konnten sie es nicht so richtig glauben. Für meine Familie ist die Tournee das Ereignis des Jahres, die Familie ist dem Orchester auch sehr dankbar. Zum Dank hat meine Tante für alle Musiker:innen und die Begleitung ein Bild gemalt.

 

Wie bist Du zur Musik gekommen?

Meine Mutter wollte als Kind immer Klavier spielen. Als ich dann Unterricht bekam, war ich furchtbar untalentiert. Später hat eine Freundin meinerseits uns daheim besucht und auf dem Klavier etwa vorgespielt – und zwar sehr gut. Es stellte sich raus, dass sie auch Geige spielte. Da dachte meine Mutter: Wenn man Geige spielt, dann kann man auch gut Klavier spielen. Und so habe ich mit Geige angefangen.

 

Und Du bist offenbar dabei geblieben.

Ja, weil es mir einfach viel mehr Spaß gemacht hat und ich viel schneller Fortschritte gemacht habe. Ich hab später auch im Jugendorchester gespielt und hatte ein paar Mal Glück, dass ich auch Solo-Geige spielen durfte. Meine Mutter hatte mich auch irgendwann gefragt, ob ich mit der Geige aufhören möchte. Aber ich hab ihr gesagt, dass weiterspielen möchte.

 

Welche Rolle spielte klassische Musik bei Deiner Familie in Deiner Jugend?

Meine Mutter hat kein Instrument gelernt. Mein Vater hat klassische Gitarre gespielt, aber nicht als professioneller Musiker, sondern für sich privat und für die Gemeinde. Als meine Eltern klein waren, sind sie nicht in klassische Konzerte gegangen – haben vielleicht mal im Radio oder Fernsehen etwas gehört. Als ich dann Geige gelernt habe, hatten wir ein Abo-Ticket für Konzerte. Wir sind dann jeden Monat nach Seoul gefahren und haben ein Konzert gehört.

 

In Sejong waren beim Konzert viele Familien mit kleinen Kindern zu Gast. Gehen viele Familien gemeinsam ins Konzert in Südkorea?

Das Konzertpublikum in Südkorea ist schon jünger als in Deutschland. Aber in Sejong soll das Bildungsniveau sehr hoch sein. Da fängt die musikalische Erziehung dann besonders früh an. Ich denke, die Kinder in den Konzerten spielen auch Instrumente.

 

Was bedeutet klassische Musik den Südkoreanern?

Klassik hängt in Südkorea stark mit Bildung und Status zusammen. Schon früher haben Leute gedacht, dass meine Familie wohlhabend sein muss, weil ich Geige spiele. Das stimmt auch teilweise: Die Unterrichtsstunde ist schon ziemlich teuer, teurer als in Deutschland auf jeden Fall.

 

Sollte das Orchester die Tournee wiederholen: Wo würdest Du gerne spielen?

Wenn wir wieder kommen, möchte ich gerne auf Jeju-Do spielen, der größten Insel Südkoreas. Da ist es warm, es gibt viele Mandarinen und gibt schöne Berge.

 

Das Interview führte Jean-Pierre Fellmer.

 

Mehr Infos über die Liebe der Südkoreaner zur klassischen Musik Europas gibt es hier.

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