28.04.2023

"Die Reaktion des Publikums spricht für dieses Orchester"

Marko Letonja vor dem Konzert in Daegu.
© Jean-Pierre Fellmer

Das Foto zeigt Generalmusikdirektor Marko Letonja vor dem Konzert in Daegu.

Marko Letonja ist seit Beginn der Spielzeit 2018/2019 Generalmusikdirektor und Chefdirigent der Bremer Philharmoniker. Zudem ist er seit 2012 Chefdirigent des Orchèstre Philharmonique de Strasbourg, mit dem er international durch Tourneen und Gastspiele u.a. in Deutschland und Südkorea für Aufsehen sorgte und 2019 den Grand Prix für die beste Opernproduktion des Syndicat Professionel de la Critique gewann.

 

Herr Letonja, wie haben Sie die Tournee erlebt?

Ich habe schon zweimal in Südkorea gespielt, erst vor einem Jahr mit dem Seoul Philharmonic Orchestra. Aber so einen frenetischen Beifall wie bei den Konzerten mit den Bremer Philharmonikern in Seoul habe ich da nicht erlebt. Sicherlich hat das Orchester den Vorteil, dass es aus Deutschland kommt und somit exotisch ist – so wie ein koreanisches Orchester in Deutschland exotisch ist. Da geht man schon mit anderen Augen und Ohren rein. Aber ungeachtet der Erwartungen zeigt die Reaktion des Publikums nach dem Konzert den wahren Eindruck. Die Tatsache, dass das Publikum bei allen Konzerten so mitgegangen ist, spricht für die Qualität dieses Orchesters.

 

Wie haben Sie das koreanische Publikum sonst wahrgenommen?

Die Orchestermusiker und ich waren doch sehr überrascht über den nicht enden wollenden Beifall. Das ist für uns besonders viel Wert, weil das Publikum in Südkorea so jung ist. Die hören nicht nur konzentriert zu und sind leise, sie verstehen auch die Musik. Man hat das Gefühl, dass sie mit dem Orchester atmen. Das hängt sicherlich auch mit dem Bildungssystem zusammen: Ab einem gewissen Alter müssen die Schüler in Südkorea zweimal im Jahr ins Konzert gehen, das Ticket kriegen sie bezahlt. Sie können sich selbst aussuchen, was sie hören möchten – ob Seoul Philharmonic Orchestra, Bremer Philharmoniker on Tour oder ein anderes Orchester.

 

In Deutschland gibt es das nicht.

Im Gegenteil. In Europa reden wir in vielen Ländern darüber, den Musikunterricht in den Schulen einzuschränken. In meinem Heimatland Slowenien gab es das noch, als ich Schüler war, jetzt aber nicht mehr. Die exakte Situation in Deutschland kenne ich nicht, aber ich merke: Das nimmt ab. Korea zeigt: Wenn man regelmäßig auf die klassische Musik aufmerksam macht, kriegt man auch das junge Publikum.

 

Was kann der deutsche Konzertbetrieb von Südkorea lernen?

Wir müssen uns über das Konzerterlebnis als Ganzes Gedanken machen. Bei den Konzerten auf der Tournee haben wir gesehen: Es war im Saal dunkel, auch während des Umbaus. Wenn das Orchester dann auftritt, geht das Licht an. Es geht um die Show, die Nebensächlichkeiten sollten nicht von der Musik ablenken. Vielleicht sagt der eine oder andere: Das ist doch unwichtig für ein klassisches Konzert. Wir hören aber nicht nur, wir sehen eben auch. Und der Fokus auf die Musik im richtigen Moment ist sehr wichtig.

 

Was hat die Tournee mit dem Orchester gemacht?

So eine Tournee rentiert sich für das Orchester: Das gibt Energie, das schweißt zusammen. Alle Orchestermitglieder hatten die Gelegenheit mit Kolleginnen und Kollegen zu sprechen, bei den Proben reicht die Zeit dafür manchmal nicht. Das Orchester lernt dadurch auf eine andere Art aufeinander zu hören, miteinander zu spielen, zusammen zu atmen. Und bekommt vor allem das Gefühl, in einem Boot zu sitzen und gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Dass dieses Boot dann auch sehr schnell fahren kann, haben wir zusammen beim Konzert in Seoul gemerkt. Die Leistung des Orchesters war wirklich außergewöhnlich. Es muss klar sein: Wie ein Politiker oder Sportler repräsentiert ein Orchester eine Stadt. Es darf nicht passieren, dass man aus finanziellen, zeitlichen oder sonstigen Gründen auf solche Erfahrungen verzichtet.

 

Die Tournee war ein Erfolg, wird es eine Wiederholung geben?

Wir haben von allen Seiten nur Lob gehört. So wie ich die Umstände in Korea kenne, ist schon zu Dreiviertel sicher, dass es wieder eine Einladung geben wird. Das kann drei bis vier Jahre dauern, das ist der Rhythmus für eine weitere Tournee in Korea. Ich denke, ich spreche im Namen aller Musiker des Orchesters, wenn ich sage: Wir haben auf jeden Fall Interesse, hier wieder eine Tournee zu spielen. Trotz der Anstrengung können wir nur stolz darauf sein, ein Stück der Bremer und der deutschen Musikkultur nach Südkorea gebracht zu haben. Für den Fall, dass wir wiederkommen sollten, hat der Promoter uns schon gesagt, dass er wieder ein Brahms-Programm buchen wollen würde. Das freut mich persönlich sehr. Denn die DNA des Orchesters ist die Musik Brahms.

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